Mit Bärenkraft ins Frühjahr starten

Jetzt ist Bärlauch-Zeit

Es ist wieder so weit. Spätestens im April, häufig bereits im März schleicht sich dieses Kraut Jahr für Jahr auf magische Weise in die Alltagsgespräche ein: Bärlauch. Die meisten Menschen mögen von wildem Grün sonst eher unbeeindruckt sein, doch geht es um diese kräftig grünen, spitzen, zarten Blätter mit dem typisch aromatischen Knoblauchgeschmack, herrscht ein seltsamer Konsens. Wenn die Temperaturen steigen, die Säfte allerorten wieder fließen, dann – da sind wir uns einig – ist Bärlauch-Zeit. Man tauscht sich aus, spricht über Sammelorte und – natürlich Rezepte. 

Unglaublich gesund und lecker

Mir geht es ganz genauso. Während ich diese Zeilen schreibe, lagern in meinem Kühlschrank die ersten Gläser voll köstlichen Pestos, mit dem ich seit einigen Tagen mein Abendessen aufwerte. So wird es jetzt erstmal eine Weile weitergehen. Ist die Bärlauch-Saison erstmal da, kann ich nicht genug kriegen von diesem würzigen Lauchgewächs, das nicht nur lecker, sondern auch unglaublich gesund ist. Bärlauch wirkt entgiftend, blutreinigend und antiseptisch, senkt den Blutdruck, reguliert die Verdauung und versorgt den Körper mit Vitamin C.  Senföle und schwefelhaltige Verbindungen regen den Stoffwechsel an. Das alles verleiht „Bärenkräfte“, wie schon die alten Germanen wussten. Für sie war der Bärlauch wie auch sein Namensgeber, der Bär, DER Frühlingsbringer, bestens geeignet, um den Körper nach einem langen kalten Winter wieder auf Trab zu bringen. Angeblich stopften sich die Bären nach ihrem Winterschlaf mit den Blättern voll, um wieder munter zu werden. 

Zwar ist der Bärlauch für mich nicht das erste und einzige Kraut im Frühjahr, aber ihm widme ich meist eigene Sammelausflüge, wächst er doch an ganz speziellen Stellen, bevorzugt im Wald auf humusreichen, eher feuchten Böden.   

Achtsam sammeln

Vor wenigen Tagen ging es los: Ausgestattet mit einer kleinen Küchenschere und einigen Einkaufsbeuteln aus Stoff stromere ich durch ein Waldgebiet in der Nähe. Mein Ziel ist die mir bekannte Stelle, wo mein Kraut verlässlich jedes Frühjahr massenhaft aus dem Boden sprießt. Der Anblick lässt mein Herz höherschlagen, ich knie mich auf den weichen Waldboden und schneide behutsam die Blätter ab, manchmal nur eins, manchmal mehrere auf einmal, aber immer mit Bedacht und vor allem so, dass die Wurzelknollen nicht verletzt werden. Ich muss mich bremsen, denn schließlich möchte ich meinen Freund im nächsten Jahr hier wieder begrüßen dürfen. Wird das gesamte Büschel Blätter, das aus einer Zwiebel wächst, geerntet, kann sich die Pflanze nicht regenerieren. 

Das Wunderkraut aus dem Osten

Allerdings, und jetzt ist Zeit für einen kleinen Exkurs, handelte es sich bei diesem ersten Sammelerlebnis der Saison, nicht um den echten Bärlauch. Mein Glücksgefühl verdanke ich seinem nahen Verwandten, dem sogenannten Wunderlauch. Wie der echte, hat auch er diesen typischen knoblauchartigen Geschmack und den Duft der enthaltenen ätherischen Öle, auch seine Heilwirkungen sind ähnlich. Was den Wunderlauch jedoch deutlich vom Original unterscheidet, ist seine Milde. Genau richtig also für Menschen wie mich, denen die Schärfe eines echten Bärlauch-Pestos die Tränen in die Augen treibt. Zumal abmildernde Zutaten wie Käse für vegane Esser wie mich wegfallen. Optisch unterscheiden sich die beiden Arten aufgrund der unterschiedlichen Wuchsform der Blätter, die beim Wunderlauch schmaler und heller sind und fast grasartig wirken.

Was also hat es auf sich mit diesem Wunderlauch, der auch als Berliner Lauch bezeichnet wird, weil er angeblich nur nahe der Hauptstadt gedeiht (was ich allerdings nicht bestätigen kann, da ich auch in Hannover bereits ausgiebig gesammelt und genossen habe)?  

Angeblich stammt dieser ursprünglich aus dem Kaukasus, wächst aber auch im Iran und Turkmenistan und wurde wohl einst von dort eingeschleppt. Er breitet sich seither schnell zu ganzen Teppichen aus und gilt als invasive Pflanzenart. 

Ich erfreue mich allerdings lieber an der Fülle, anstatt mich über deren ungehinderte Ausbreitung zu sorgen. Wer einmal den Blick für dieses wundersame Kraut geöffnet hat, entdeckt ihn nicht nur im Wald, sondern auch mitten in der Stadt, an den überraschendsten Orten. Den echten habe ich bislang nahezu ausschließlich in Wäldern gefunden, wo auch er sich allerdings massiv ausbreiten kann. Ich freue ich mich jetzt schon auf meinen alljährlichen Sammel-Ausflug in den Leipziger Auwald, wo mich die Fülle an sattgrünen Bärlauch-Teppichen immer wieder ins Staunen versetzt und mir anschließend meist ein stundenlanges Küchenchaos, und einen sich stetig füllenden Tiefkühl- und Kühlschrank beschert. So darf sich der Bärlauch auch bei mir zuhause munter ausbreiten. Lange wird er erfahrungsgemäß nicht bleiben. Denn für einen Kühlschrankhüter ist er, ob echt oder nicht, viel zu schmackhaft.

Vorsicht Verwechslungsgefahr! 

Aronstab, Herbstzeitlose und Maiglöckchen sind giftige Zeitgenossen mit ähnlichem Erscheinungsbild und Wuchsorten. Charakteristisch für den Bärlauch ist sein Knoblauchgeruch. Seine Blätter wachsen, anders als die der giftigen Doppelgänger direkt aus dem Stängel. Beim Sammeln unbedingt genau hinschauen und im Zweifelsfall die Nase einsetzen!

Rezepte & Info

Verwendet werden nicht nur Blätter, sondern auch Blüten, Samen, Stängel und Zwiebeln. Sammelzeit ist von März bis Mai. Los geht es meist schon im März mit den Blättern. Erste Knospen, manchmal auch schon die Blüten zeigen sich im April, im Mai geht es dann mit den Samen weiter. Auch Blätter können dann noch geerntet werden.  

Bärlauch-Pesto, ganz klassisch: 100 g Bärlauch-Blätter wahlweise mit 100 g Nüssen, Mandeln, Cashew-/Sonnenblumen- oder Kürbiskernen, 100 ml Olivenöl, Saft einer Zitrone und etwas Salz in einem Mixer oder mit dem Küchenstab zu einer stückigen Masse verarbeiten. In saubere Schraubgläser füllen und mit Olivenöl bedecken. So hält sich das Pesto im Kühlschrank für mehrere Wochen. Schmeckt zu Nudel- oder Reisgerichten, im Salat oder pur auf Brot.

Fermentierte Bärlauch-Blätter: Frische ganze Bärlauch-Blätter in ein Glas (möglichst mit Bügelverschluss) stopfen, mit 2-prozentiger Salzlösung übergießen (=20 g Salz auf 1 l Wasser, bzw. 10 g Salz auf 500 ml Wasser) und mit einem Gewicht aus Glas oder Keramik beschweren, damit die Blätter während der Fermentation mit Wasser bedeckt bleiben. Eine Woche bei Raumtemperatur im Halbdunkeln lagern, danach kühl stellen. Nach ca. drei Wochen kann probiert werden. Das Ferment hält sich bis zu einem Jahr. Schmeckt zu Brot, Salat oder kleingehackt mit warmen Gerichten.

Eingelegte Bärlauch-Knospen: Etwa eine Tasse Bärlauch-Knospen in einem Sud aus Apfelessig und Wasser (Verhältnis 1:4) sowie ca. 1 EL Salz (möglichst Steinsalz) für zwei bis drei Minuten kochen, in ein Schraubglas füllen und sofort den Deckel fest verschließen. Für eine lange Haltbarkeit (mind. 1 Jahr) sollte sich beim Abkühlen ein Vakuum bilden. Die Knospen sind eine leckere Verfeinerung für Salate, Brot oder Gemüsegerichte.

Samen und Früchte: Die noch grünen Früchte mit heißem Wasser übergießen, abtropfen in ein Schraubglas geben, salzen und mit Olivenöl übergießen. Sie schmecken als Topping auf Brot oder Salat. Vollständig reife Samen können getrocknet und gemörsert als scharfes Gewürz anstelle von Pfeffer verwendet werden. 

Bärlauch-Öl: Drei Handvoll Blätter grob zerkleinern und mit einem Liter nativem Olivenöl übergießen. In einer dunklen Flasche vier Wochen stehen lassen, dann abseihen. Das so gewonnene Öl enthält alle heilwirksamen Inhaltsstoffe des Bärlauchs und kann z.B. zu Salat, Fisch, Brot oder Kartoffeln gegessen werden. Es hält sich für mehrere Monate.

Tipp:

Die frischen Bärlauch-Blätter können auch grob gehackt eingefroren werden. Sie dienen dann als würzige Beigabe zu unterschiedlichsten Gemüse- oder Fischgerichten. Zum Trocknen eignet sich das Kraut nicht, da das Aroma, genauso wie die wertvollen Inhaltsstoffe, schnell verfliegt.

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Kraftpaket im März