Nicht nur für Vögel ein Genuss
Richtig zubereitet sind Vogelbeeren ein gesunder Kick für unsere Gesundheit
„Ich wusste gar nicht, dass man die essen kann!“ So oder ähnlich lauten typisch erstaunte Reaktionen neugieriger Passanten, wenn ich, wie jüngst in einer kleinen Nebenstraße im Berliner Nordosten, beim Sammeln von Vogelbeeren beobachtet werde. Die Annahme, dass die derzeit in leuchtenden Rot- und Orangetönen vielerorts zu entdeckenden Früchte der Eberesche, giftig sind, hält sich bei vielen hartnäckig. Schon in der Kindheit wurden wir vor dem Verzehr der Beeren gewarnt, und auch ich musste mir die Wahrheit - Jahrzehnte später - erst zurückerobern. Soviel also vorweg: Ja, Vogelbeeren sind essbar und, richtig verarbeitet, sogar äußerst gesund. Allerdings müssen sie, bevor sie in unserem Magen landen, erhitzt werden, damit unverträgliche Stoffe unschädlich gemacht werden. So kann die in den Beeren enthaltene Parasorbinsäure nach rohem Verzehr Reizungen in Magen und Darm zur Folge haben, die beim Verspeisen größerer Mengen, Übelkeit, Bauchschmerzen und sogar Erbrechen hervorrufen kann. Der extrem bittere, säuerliche Geschmack der Früchte und deren zusammenziehende Wirkung im Mund erzeugt allerdings eine natürliche Abwehr, die wohl nur wenige Menschen zu großen Mahlzeiten verführen wird.
Auf Vogelfang mit kleinen Äpfelchen
Sind die Vorsichtsmaßnahmen erfüllt, lohnt sich die Entdeckungsreise mit den Beeren allemal. Eigentlich handelt es sich bei den farbenfrohen Kügelchen nicht mal um Beeren. Die Eberesche gehört, wie beispielsweise auch Apfelbäume, zu den Rosengewächsen, ihre Früchte erinnern daher, aus nächster Nähe betrachtet, an kleine Äpfelchen mit einem Durchmesser um die 1 bis 1,5 Zentimeter. Ab dem Spätsommer hängen sie in dichten Dolden an den Zweigen der bis zu 15 Meter hohen Bäume oder manchmal auch kleineren Sträuchern. Farblich reicht das Spektrum der Früchte von hellorange bis zu einem kräftigen Rot. Die Blätter sind gefiedert und erinnern optisch an gewöhnliche Eschen, was dem Baum wohl auch seinen Namen verliehen hat. Der lateinische Name der Eberesche deutet übrigens auf eine frühere Verwendung, den Vogelfang, hin. „Sorbus aucuparia“, wird hergeleitet aus „aucupium“ was sich zusammen setzt aus „avis“ für Vogel und „capere“ für einfangen. Wie auch der deutsche Name nahelegt, lieben Vögel die bunten Beeren und wer sie sammeln möchte, muss zuweilen schnell sein. Denn auch wenn die Früchte bis nach dem ersten Frost geerntet werden können, sind sie bis dahin meist von unseren gefiederten Lebensgenossen abgeerntet.
Kraftpaket mit reichlich Vitamin C
Die Früchte für den Eigenbedarf einzusammeln lohnt sich allemal, sie enthalten reichlich Vitamin C, Zitronen- und Apfelsäure, Pektin und Sorbit. Weitere Inhaltsstoffe sind Gerb- und Bitterstoffe, die die zusammenziehende Wirkung und den im Rohzustand bitteren Geschmack erklären, sowie Karotinoide für die rötlichen Farbtöne und die bereits erwähnte Parasorbinsäure, die durch das Erhitzen unschädlich gemacht wird.
Richtig verarbeitet hilft die Eberesche nicht nur unserem Immunsystem auf die Sprünge, sondern wirkt auch anregend auf die Verdauung. Blätter, Rinde oder Beeren unterstützen die Nieren bei der Ausscheidung, wirken also harntreibend. Wer sie für die Gesundheit einsetzen möchte, kann die getrockneten Blätter, Blüten oder Beeren als Tee aufgießen oder eine Kur mit den Beeren durchführen, um die Ausscheidung von Nierensteinen zu fördern (s. Erklärung im Kasten). Wer gerne Marmeladen oder Fruchtmus isst, kann diesen bei der Zubereitung einen Anteil Vogelbeeren hinzufügen und sich über ein besonderes Geschmackserlebnis freuen. Ich persönlich schätze vor allem den fruchtigen, leicht herben Geschmack, den eine Handvoll (abgekochter) Beeren meinem Smoothie verleiht.
Rezepte mit Vogelbeeren
-> Vogelbeer-/Apfelmus: 2 Teile Vogelbeeren mit 2 Teilen geviertelten Äpfeln mit etwas Wasser aufkochen, durch ein Sieb passieren und das Mus erneut aufkochen. Der Masse einen halben Teil Honig hinzugeben und alles gut umgerührt noch heiß in Gläser füllen. Schmeckt z.B. zu Porridge oder als Zutat für Smoothies.
-> Vogelbeermarmelade mit Birnen: 300g Vogelbeeren mit 700g reifen Birnen, entkernt und zerkleinert, zerstampfen. Mit dem Saft einer Bio-Zitrone und deren Schalenabrieb sowie 700g Gelierzucker, aufkochen. 3 Minuten sprudelnd unter Rühren kochen lassen, dann in ausgekochte Gläser abfüllen.
-> Joghurtgetränk aus Vogelbeeren: 400g Vogelbeeren mit 400ml Wasser kurz aufkochen und abgießen. Die Beeren mit 400ml Orangensaft, 2 Esslöffeln Rohrohrzucker, etwas Zimt und Vanilleschote etwa 10 Minuten köcheln lassen. Durch eine Passiermühle („Flotte Lotte“) pressen und den Saft und das Fruchtmark in einer Schüssel abkühlen lassen. Dann mit 400g Joghurt (ggf. vegan Alternative aus Hafer oder Kokos) vermengen und kühl genießen!
Für Fortgeschrittene:
Bitterer Aperitif: 200g Vogelbeeren mit 50g Heidel-, Aronia- oder Holunderbeeren, 200g Rohrohrzucker und verschiedenen Bitterkräutern (je 1 Esslöffel Schafgarbe, Beifuß, Wermut) sowie einem Teelöffel Samen der Waldengelwurz aufkochen. 3 Minuten sprudelnd kochen dann alles im Topf zerstampfen und einige Minuten ziehen lassen. Durch ein Sieb gießen und noch heiß in Flaschen abfüllen. Kann wie Campari genossen werden.
Tipp mit Heilwirkung:
Vogelbeeren eignen sich roh für eine Nierenkur. Dafür die Beeren (im Dörrautomaten oder in der Sonne) zunächst trocknen und über 30 Tage allmählich ein- und wieder ausschleichen. Dafür wird am 1. Tag eine Beere langsam im Mund zerkaut, am 2. zwei und so weiter bis am 15. Tag 15 Beeren zerkaut werden. Danach täglich eine Beere weniger essen, bis nach 30 Tagen die Kur beendet ist. Ein solches Vorgehen regt die Ausscheidungstätigkeit der Nieren an und kann dazu beitragen, Nierensteine zu lösen.